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  • AutorenbildBarbara Balbierz

Heldenbox


Ab meiner Pubertät hatten wir es nicht immer leicht miteinander. Zwei Sturköpfe im Kampfmodus konnten sehr anstrengend sein. Wahrscheinlich waren wir uns zu ähnlich.

Mit achtzehn Jahren ging er in diesen gräßlichen Krieg und landete nach zwei schweren Verwundungen in russischer Gefangenschaft. Man stellte ihn vor die Wahl. Entweder konnte er drei Monate für die Russen nach Minen suchen – ein Himmelfahrtskommando – oder er würde nach Sibirien verfrachtet. Er wäre wohl lieber gestorben als im eisigen Nirgendwo zu verhungern. Da war er dreiundzwanzig und hatte bereits mehr leid gesehen und durchlitten, als sich unsere Generation je vorstellen kann.

Er war der zweitjüngste von acht Kindern einer Hausfrau und eines Schreiners aus Düren. Sein ältester Bruder kam nicht aus dem Krieg zurück. Erschossen in Frankreich. Seine älteste Schwester starb ebenfalls im vor Endes des Krieges. Sein bester Freund verblutete im Schützengraben, in seinen Armen.

Nach seiner Rückkehr, die Russen hielten Wort und entließen die überlebenden Minensucher nach drei Monaten, blieb er in dem Gewerbe, denn in seiner vollkommen zerbombten Heimatstadt gab es kaum Arbeit.

Er traf meine Mutter, gründete eine Familie mit ihr und als sie es nicht mehr ertragen konnte, nicht zu wissen ob abends ihr Mann nach Hause kam, oder ein Kollege der ihr mitteilen musste, dass irgendwo eine Bombe hochgegangen war, wechselte er zur neu gegründete Bundeswehr. Bürodienst. Nie wieder wollte er eine Waffe benutzen müssen.

Für seinen Mut, über viele Jahre hunderte von Minen in Dörfern und Wäldern zu entschärfen, erhielt er das Bundesverdienstkreuz.

Jetzt hätte das Leben schön werden können. Es war ohnehin ein Wunder, dass er und seine Kameraden nach den ganzen Traumata ein Leben leben konnten. Doch 1969, fünf Jahre nach meiner Geburt, starb sein geliebter Sohn, mein Bruder bei einem Flugzeugabsturz. Ebenfalls bei der Bundeswehr.

Wieviel Leid kann ein Mensch ertragen? Ich weiß nicht wie er es schaffte, aber im Gegensatz zu meiner Mutter und vielen anderen seiner Generation konnte er es, ohne zu verbittern, ohne Hass, ohne jemals gewalttätig zu werden, oder zu tief in die Flasche zu schauen und vor allen Dingen, verlor er auch nie seinen Humor.

Lieber Papa, ich habe dir nie gesagt, wie sehr ich dich für deine Kraft bewundere. Dieser kleine Schrein ist die einzige Anerkennung die ich dir noch zollen kann. Ich wünsche dir nichts als Frieden und Glück, wo immer du jetzt bist.

* Franziskus Saverius Schöller 1922 – 2007

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